Heute, am neuen Feiertag der Nationalen Arbeit, grüble ich über die Taktiken der Nationalsozialisten nach. Sie versuchen nun, die Arbeiter anzusprechen, obwohl gerade diese ihnen bisher skeptisch gegenüberstanden. Indem sie die Gewerkschaften entmachten und den 1. Mai bei voller Lohnfortzahlung zum Feiertag erklären, bedienen sie sich einer alten Forderung der Arbeiterbewegung. Ein geschickter Zug, gewiss, aber ich frage mich, ob die Arbeiter dadurch wirklich für ihre Sache gewonnen werden können oder ob dies nur ein weiterer Schritt zur Festigung ihrer Macht ist. Misstrauen bleibt.
Die Stadt selbst hat sich in den letzten Wochen deutlich gewandelt. Die neuen Hakenkreuzfahnen, die nur vereinzelt zu sehen waren, sind nun allgegenwärtig. Die SA marschiert regelmäßig durch die Straßen, und die Melodien ihrer Kapelle sind ständiger Begleiter des städtischen Lebens geworden. Selbst die Namen unserer Plätze ändern sich, als wollte man die Vergangenheit auslöschen. Der Marktplatz, nun „Adolf-Hitler-Platz“, ist Symbol dieser neuen Ordnung.
Die Ereignisse im Stadtrat sind beunruhigend. Die Absetzung und Ersetzung der Zentrumsmitglieder, die Neubesetzung des Ersten Beigeordneten, all das geschieht mit einer Geschwindigkeit und Entschiedenheit, die kaum Raum für Einwände lässt. Diejenigen, die ihre Mandate niederlegen, tun dies sicherlich nicht ohne Druck. Frau Funken, die ihr Mandat niederlegte, wird von vielen als stilles Zeichen des Widerstands betrachtet.
Die Annahme der Ehrenbürgerschaft durch Hindenburg und Hitler hat uns alle tief berührt. Es ist ein Zeichen dafür, dass selbst unsere kleine Stadt nun Teil einer viel größeren Bewegung ist, deren Ausmaß und endgültige Auswirkungen noch unbekannt sind.
Rede Goebbels 1933
Hinweis:
Das Video stammt im Gegensatz zum dort angegebenen Titel von der Rede von Goebbels zum 1. Mai 1933.
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▼ Die neue Idee der Verbundenheit und der Volksgemeinschaft
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1. Mai als "Tag der nationalen Arbeit"
Nach ihrer Machtübernahme 1933 hatten die Nationalsozialisten unter den vielfach sozialdemokratisch und kommunistisch orientierten Arbeitern weit weniger Anhänger, als dies in anderen Berufsgruppen der Fall war. Ein vorrangiges Ziel der NS-Führung war daher die Einbindung der Arbeiter in das neue Regime sowie die politische Entmachtung der Gewerkschaften, in denen sie einen "Hort der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung" sahen. Um unter Arbeitern Sympathien für den Nationalsozialismus zu fördern, erklärte das NS-Regime den 1. Mai als "Tag der nationalen Arbeit" zum gesetzlichen Staatsfeiertag bei voller Lohnfortzahlung. Damit gingen sie scheinbar auf eine alte Forderung der internationalen Arbeiterbewegung ein.
Goebbels Rede zum 1. Mai 1933
"In beispiellosen Massendemonstrationen hat sich heute die gesamte deutsche Nation zur Arbeit, zu ihren Werten, ihrem Ethos und ihrer nationalen Verbundenheit bekannt. Heute Abend versammelt sich das deutsche Volk, über alle Klassen-, Standes- und Konfessionsunterschiede hinweg, um endgültig die Ideologie des Klassenkampfes zu überwinden und den Weg für die neue Idee der Verbundenheit und der Volksgemeinschaft freizumachen. Es ist mir eine große Ehre, Sie heute Abend hier in Berlin und im gesamten deutschen Reich im Namen der Regierung zu begrüßen. Leider wird die Freude durch einen Wermutstropfen getrübt: Gestern ereigneten sich tragische Unfälle in Essen auf der Zeche, bei denen sieben Kameraden, die ausnahmslos Nationalsozialisten waren, ums Leben kamen. Gleichzeitig wurde in Naumburg und in Kiel jeweils ein SA-Mann erschossen. Diese Soldaten, die im Dienste der Politik fielen, sind auf dem Feld der Ehre gefallen. In diesem feierlichen Moment erhebt sich die gesamte deutsche Nation, um das Andenken an diese sieben gefallenen Soldaten mit einer Minute des ehrfürchtigen Schweigens zu ehren." [Applaus]
"Ganz Naumburg ist noch voller Schauer und Entsetzen", beschreibt das Naumburger Tageblatt die Stimmung als in der Nacht zum 1. Mai 1933 der 23-jährige SS-Mann Siegfried Güthling ermordet worden war. "Man nimmt an, dass es sich um kommunistische Provokateure handelt", gibt die Todesanzeige am 2. Mai 1933 bekannt.
Goebbels, die Macht der Worte und ihre Lehren für die Gegenwart
Joseph Goebbels, als Propagandaminister im nationalsozialistischen Deutschland, nutzte die Macht der Reden und der Massenkommunikation als entscheidendes Werkzeug, um die Ideologie des Nationalsozialismus zu verbreiten und die Menschen emotional zu beeinflussen. Goebbels' Fähigkeit, durch geschickte Rhetorik und Inszenierung, wie etwa Massenaufmärsche und das gemeinsame Singen, eine fast religiöse Verehrung für Hitler und die nationalsozialistischen Ideale zu schaffen, zeigt, wie Propaganda genutzt werden kann, um eine Gesellschaft tiefgreifend zu manipulieren. Er verstand es, die Sprache und Symbole so einzusetzen, dass sie nicht nur die Zuhörer in ihren Bann zogen, sondern ihnen auch das Gefühl gaben, Teil einer größeren Bewegung zu sein. Durch diese emotional aufgeladenen und sorgfältig inszenierten Veranstaltungen wurden die Grenzen einer politischen Partei überschritten und der Nationalsozialismus zu einer Art Ersatzreligion erhoben.
Die heutige Zeit, geprägt von wirtschaftlichen Unsicherheiten und sozialen Spannungen, ist ebenfalls anfällig für die Verführungskraft charismatischer Führungsfiguren und manipulativer Kommunikationsstrategien. In einer Ära, in der soziale Medien und das Internet eine zentrale Rolle in der Informationsverbreitung spielen, können die Techniken der Propaganda und der emotionalen Manipulation noch schneller und weitreichender eingesetzt werden als zu Goebbels' Zeiten. Die Fähigkeit, Nachrichten und Ideologien zu verbreiten, die auf emotionalen Reaktionen basieren und weniger auf Fakten und rationalen Argumenten, kann zu Polarisierung und Extremismus führen.