Zwei Videos zum Klimawandel

Dezember 18, 2024 - Lesezeit: 15 Minuten

Zwei Videos

Lesch Video 04.12.2024

https://www.youtube.com/watch?v=xWWXD_NKpHs

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Harald Lesch: "Das Klima: Der Stand der Dinge" (04.12.2024, Uni Stuttgart)

In seinem Gastvortrag anlässlich des 15-jährigen Bestehens des Zentrums für Lehre und Weiterbildung (zlw) an der Universität Stuttgart stellte der Astrophysiker und Naturphilosoph Prof. Harald Lesch den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel dar. Lesch betonte, dass die Faktenlage seit Jahrzehnten eindeutig ist, zugleich aber in der breiten Öffentlichkeit und vor allem in der Politik zu wenig konsequent berücksichtigt wird. Der Klimawandel sei nicht nur real, sondern menschengemacht, und die Verantwortung dafür liege klar bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Lesch stützte sich auf empirische Daten, die ein deutliches, beschleunigtes Ansteigen der globalen Durchschnittstemperaturen zeigen. Extreme Wetterereignisse wie Hitze- und Dürreperioden, Starkregen und Überschwemmungen werden immer häufiger und heftiger; dies ist keine Prognose mehr, sondern bereits beobachtete Realität. Wetterphänomene wie immer wärmer werdende Ozeane oder das Abschmelzen von Eisflächen in Arktis und Antarktis führen zu Rückkopplungseffekten, welche die Erderwärmung weiter vorantreiben.

Ein weiterer zentraler Punkt war die Rolle der Treibhausgase, insbesondere CO₂, dessen Konzentration seit Beginn der Industrialisierung um rund 50% gestiegen ist. Die Quelle dieses Kohlenstoffdioxids ist eindeutig: fossile Rohstoffe. Messungen der Kohlenstoff-Isotope belegen klar, dass das zusätzliche CO₂ aus menschlichen Aktivitäten wie Kohle-, Öl- und Gasverbrennung stammt – dies ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt.

Der Vortrag machte deutlich, dass menschliche Gesellschaften mit steigenden Gesundheitsrisiken, unsicheren Lebensmittelproduktionen und politischen Spannungen konfrontiert sein werden, falls die Emissionen nicht drastisch sinken. Die Emissionen führen zu globalen Erwärmungsraten, die absehbar über das politische Ziel hinausgehen, die Erwärmung auf 1,5 oder 2 Grad Celsius zu begrenzen.

Lesch betonte, dass die Natur keine politische Agenda verfolgt; sie reagiert schlicht auf die physikalisch-chemischen Gegebenheiten. Die seit Jahrzehnten wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse wurden lange ignoriert oder politisch instrumentalisiert. Dennoch zeigte Lesch auch positive Entwicklungen auf: Die Kosten für erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft sind stark gefallen, und die Technologien für eine klimaneutrale Energieversorgung sind da. Wirtschaftlich und technisch wäre eine rasche Umstellung auf klimafreundliche Systeme möglich, wenn Politik und Gesellschaft konsequent handeln würden.

Der Kern des Vortrags lässt sich auf wenige Botschaften reduzieren: Wir wissen genug, um zu handeln. Der Klimawandel ist real, gefährlich und von uns verursacht. Die notwendigen Technologien für den Wandel stehen bereit. Was fehlt, ist der politische und gesellschaftliche Wille, diese zukunftsfähigen Wege mutig und entschlossen zu beschreiten. Aufzugeben sei keine Option, so Lesch. Vielmehr müsse man in Bildung, Technologie und Zusammenarbeit investieren, um die Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen zu sichern.

 

Physikalische Chemie des Klimawandels: Wenn Theorie auf bittere Realität trifft

Video: https://www.youtube.com/watch?v=Y4fAKSO5AjU - 1 Std. 22 Min.
Vorlesung von Prof. Dr. Seiffert, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

https://youtu.be/Y4fAKSO5AjU?si=4Ei7dOVOdg0WlcEL&t=2837 - ab 47 min Teilvorlesung: Auswirkungen des Wandels auf das Wetter - Özden Terli (Meteorologe)

Von der historischen Erfindung der Dampfmaschine bis zur globalen Erwärmung – eine neu aufbereitete Vorlesung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz beleuchtet die physikalisch-chemischen Grundlagen unseres sich rasant ändernden Klimas.

Mainz, 29. November 2024. Vor genau fünf Jahren, im Rahmen der Aktion „Lectures for Future“, hielt ein Dozententeam an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine besondere Vorlesung: „Die Physikalische Chemie des Klimawandels“. Ziel war es, die fundamentalen wissenschaftlichen Zusammenhänge hinter der Erderwärmung aufzuzeigen, basierend auf thermodynamischen Gesetzen, molekularer Spektroskopie und Strahlungsbilanzen. Die Veranstaltung vor fünf Jahren fiel in eine Zeit, in der gesellschaftliche Zuversicht noch groß schien. Fridays for Future-Demonstrationen bewegten Millionen weltweit, die Forderungen nach konsequentem Klimaschutz waren laut, klar und dringlich.

Nun, Ende 2024, wurde dieselbe Vorlesung neu aufgelegt – nicht nur um die wissenschaftlichen Inhalte zu wiederholen, sondern vor allem, um zu reflektieren, wie sich die Situation seither verändert hat. Die naturwissenschaftlichen Fakten haben sich nicht grundlegend gewandelt. Was sich indes massiv verändert hat, ist unser Blick darauf, wie weit die globale Erwärmung bereits fortgeschritten ist und wie gering die tatsächlichen Fortschritte in puncto Klimaschutz geblieben sind.

Von der Thermodynamik zur Treibhauswirkung
Die Grundlage der Vorlesung bildet die Thermodynamik, das physikalisch-chemische Fundament unseres Energieverständnisses. In den ersten Semestern der Physikalischen Chemie lernen Studierende die Konzepte von Energie und Entropie kennen, analysieren Wärmeflüsse, Gleichgewichte und Umwandlungsprozesse. Diese Grundlagen sind unmittelbar relevant für das Klima: Die Erde befindet sich in einem Strahlungsgleichgewicht mit der Sonne. Ohne eine Atmosphäre wäre es hier im globalen Mittel fast 33 Grad kälter. Dass wir in einer bewohnbaren Welt leben, verdanken wir dem natürlichen Treibhauseffekt, vor allem durch Wasserdampf.

Doch seit Beginn der Industrialisierung hat der Mensch massiv in dieses System eingegriffen. Der Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂) und anderen Treibhausgasen, vorangetrieben durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Wärmekraftmaschinen, Kraftwerken und Fahrzeugen, verändert die Zusammensetzung der Atmosphäre. CO₂ füllt Infrarot-Fenster, die zuvor offen waren, und verstärkt so den Treibhauseffekt. Die Folge: Ein Temperaturanstieg, der längst nicht mehr nur ein Zukunftsszenario ist. Er ist Realität – spürbar in Extremwetterlagen, immer häufigeren Hitzewellen, Starkregenereignissen und Dürren.

Die beunruhigende Gegenwart
Waren vor fünf Jahren vage Hoffnungen auf ein rasches politisches und gesellschaftliches Umsteuern noch präsent, so ist die Lage heute ernüchternd. Die globale Durchschnittstemperatur hat markant zugelegt, Kipppunkte im Klimasystem nähern sich. Wettermoderatorinnen und Meteorologinnen berichten inzwischen regelmäßig von Ereignissen, die statistisch kaum noch fassbar sind – etwa Regenmengen, die in wenigen Stunden ein ganzes Jahresmittel übersteigen, oder Hitzerekorde, die nicht mehr im Zehntelbereich, sondern in ganzen Gradschritten nach oben schnellen.

Die Vorlesung machte deutlich, dass dieser Anstieg physikalisch leicht nachvollziehbar ist: Steigt die Meerestemperatur nur um wenige Grade, erhöht sich der Wasserdampfgehalt der Luft um mehrere Prozent. Diese zusätzliche latente Wärme führt zu intensiveren Wetterextremen. Physikalisch gesehen ist das nicht überraschend – es ist die konsequente Folge thermodynamischer und spektroskopischer Gesetze, die Studierende der physikalischen Chemie in ihrem Grundstudium erlernen.

Komplexe Systeme, komplexe Gesellschaften
Ein weiterer Schwerpunkt der Vorlesung lag auf der Komplexität des Klimasystems. Rückkopplungen und nicht-lineare Effekte kennzeichnen komplexe Systeme. Wird ein Kipp-Punkt überschritten, können unkontrollierbare und dauerhafte Zustandsänderungen folgen. Damit ist der Klimawandel nicht nur ein physikalisch-chemisches Problem, sondern auch eine soziale Herausforderung. Gesellschaftliche Systeme sind ebenso komplex und reagieren empfindlich auf Destabilisierung durch umweltbedingte Krisen. Jede versäumte Maßnahme zur Emissionsminderung erhöht die Risiken für politische, soziale und wirtschaftliche Instabilität.

Die Physik ist eindeutig – die Handlungsspielräume schrumpfen
Die Botschaft der Vorlesung war klar: Die wissenschaftliche Evidenz ist erdrückend, die natürliche und menschliche Welt stehen unter Druck. Während vor fünf Jahren noch ein Fenster der handhabbaren Transformation offen zu stehen schien, hat sich dieses heute nahezu geschlossen. Die Mathematik der Klimagleichungen lässt wenig Spielraum: Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, müsste die Weltgemeinschaft ihre Emissionen so schnell reduzieren, wie es bislang nur in Notstandssituationen gelang. Selbst für 2 oder 3 Grad gelten dieselben Grundregeln – ohne letztliche Nullemissionen ist das Klimasystem nicht zu stabilisieren, nur der Zeitpunkt, an dem wir dieses Ziel erreichen müssen, variiert.

Menschlichkeit in ungewissen Zeiten
Die Vorlesung endete ohne bequeme Beruhigung. Niemand konnte verlässliche Hoffnung versprechen, dass sich das Blatt noch entscheidend wenden lässt. Die Referierenden forderten stattdessen auf, nicht in Fatalismus zu verfallen, sondern Menschlichkeit zu wahren und zu handeln – trotz der Härte der Fakten. Denn selbst wenn wir den Klimawandel nicht mehr vollständig aufhalten können, ist es entscheidend, ihn so weit wie möglich einzudämmen und auf diese Weise Leid zu verringern. Jede vermiedene Tonne CO₂, jeder eingesparte Kubikmeter Gas, jede weise politische Entscheidung zählt.

Am Ende schloss sich der Kreis zur Sondervorlesung von 2019: Die physikalisch-chemischen Grundlagen sind dieselben geblieben, doch die äußeren Umstände haben sich dramatisch verschoben. Dieses Mal steht nicht nur die Wissenschaft, sondern unsere gesamte Gesellschaft auf dem Prüfstand. Und genau das machte die erneuerte Vorlesung überdeutlich.

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